Miriam, 10 Jahre*

Angst vor der Schule

Die 10-jährige Miriam galt als komplett austherapiert. Seit zwei Monaten konnte sie gar nicht mehr zur Schule. Die Liste mit versuchten Therapien und besuchten Ärzten und Psychologen war lang.

Als sie zur ersten Sitzung kam, konnte man mehr hören als sehen. Mit beiden Händen hielt sie sich krampfhaft am Türrahmen fest. Ihre Mutter leistete Spitzensport, um sie durch den Eingang zu bekommen.

Entsprechend harzig verliefen die ersten Minuten mit diesem Mädchen. Sie schaltete auf stur und sass regungslos da und ignorierte sämtliche Bemühungen. Auf ein Blatt Papier kritzelte sie: «Ich will nicht fernsehen im Kopf.»

Ziel war es nun, innert rund 30 Minuten etwas zu finden, was sie wirklich interessiert. Langsam kam zum Vorschein, dass es da so einen Jungen gab. Miriam taute auf. Ob er es cool fände, wenn sie Angst vor der Schule habe und nicht erscheine? Nein, meinte sie. Dabei beliessen wir es in der ersten Sitzung.

Die zweite Sitzung begann völlig anders. Ok, legen wir los, forderte sie. Anders als auch schon, hat sie hier niemand zu etwas gezwungen. Sie spürte sehr wohl den Respekt, den sie hier bekam.

Bevor wir uns mit der Angst beschäftigten, richteten wir in Ihrer Welt einen Sicheren Ort ein. Ihr Sicherer Ort war eine Blumenwiese mit Pferden, weil sie Natur mochte.

Danach sah sie sich auf dem Weg zur Schule. Als sie näher kam, wurde die Angst stärker. Sie beschrieb die Angst als schwarzen Schatten im linken Oberschenkel. Ihre Atmung wurde schneller. Sie sah viele Kinder. Es war laut. Die Gänge waren eng. Als sie im Klassenzimmer war, ging die Tür zu. Leah bekam kaum Luft. Platzangst!

Alle hatten sich auf die Angst vor Schule konzentriert. Keiner fand den wahren Grund. In diesem Ameisenhaufen Schule, mit all diesen Reizen, fühlte sich Leah eingeengt und bekam Platzangst.

Sie begann zu realisieren, wie unnötig ihre Platzangst ist. Mit ihrer Vorstellungskraft schob sie die Wände auseinander. Im Kontrollraum drehten wir ihre Lärmempfindlichkeit herunter. Ihre Atmung normalisierte sich.

Sie ersetzt die Angst mit einem starken Gefühl, geliebt zu sein. Als Einzelkind fühlte sie sich gelegentlich einsam. Aufgrund ihrer Geschichte fiel es ihr auch nicht sonderlich leicht, Freundschaften zu knüpfen.

Miriam konnte schon am nächsten Tag zurück zur Schule.